Abwicklung Fond Sexueller Missbrauch droht
Beitrag ist editiert – siehe Ende des Textes / Die Abwicklung Fond Sexueller Missbrauch droht und sofern nicht ohnehin schon verhanden, geht derzeit eine Welle von Schock und Starre durch die endlosen Reihen der Betroffenen. Zu Recht fragen sich viele Betroffene und Antragsstellende: Wieso liest man auf der Seite vom Fond nichts? Und: Werde ich mein im Antrag zugesagtes Geld bekommen? Die Situation löst im Moment unnötig Stress aus und hinterlässt natürlich viele Fragezeichen. Umso mehr, da auf der Webseite des BMFSFJ (Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend) in den aktuellen Meldungen unlängst über einen aktuellen Gesetzentwurf geschrieben wurde. Dieses Gesetz soll Strukturen gegen sexuelle Gewalt gegen Kinder und Jugendliche auf Bundesebene stärken. Das widerspricht sich irgendwie. In diesem Beitrag trage ich zusammen, was zur möglichen Abwicklung bisher bekannt ist.
Warum soll der Fond Sexueller Missbrauch abgewickelt werden?
Am 18.04.24 gibt der Bundesrechnungshof eine Meldung heraus, das das BMFSFJ die zügige Abwicklung des Fond Sexueller Missbrauch sicherstellen muss. Seit Jahren würde das Ministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, das den Fond Sexueller Missbrauch verwaltet, gegen gesetzliche Vorschriften verstoßen. Die immense Finanzierungslücke von 53 Millionen Euro wird in dem Zuge bekannt gegeben. Das heißt, der Fond hat bisher weit mehr Anträgen stattgegeben, als Geldmittel im Haushalt vorgesehen beziehungsweise vorhanden sind.
Jetzt verstehe ich natürlich, warum ich als Therapeutin in den letzten Monaten auf die Auszahlung von Rechnungsbeträgen warten musste.
Was ist überhaupt der Fond Sexueller Missbrauch?
Es handelt sich um einen Hilfefond der 2013 zunächst auf drei Jahre befristet von der Bundesregierung geschaffen wurde. Betroffene von Sexuellem Missbrauch können auf Antrag monetäre Leistungen bis zu 10.000 Euro erhalten. Diese werden für therapeutische Zwecke, Maßnahmen der Genesung oder auch Weiterbildungsmaßnahmen gewährt. Auch ich habe schon einigen meiner Patienten entweder zu einem Antrag raten oder sogar beim Antragsverfahren helfen könen.
Ganz besonders hilfreich ist, dass der Fond Leistungen bezahlt, die derzeit von gesetzlichen Krankenkassen nicht bezahlt werden. Das Traumatherapieverfahren Somatic Experiencing ist nur ein Beispiel.
Gedanken zum Thema Abwicklung Fond Sexuller Missbrauch
Einerseits könnte man es als konsequentes Handeln für die Betroffenen werten, dass der Fond die ursprünglich auf 3 Jahre befristete, also die bis 30.4.2016 laufende Antragsfrist ausgesetzt hat. Einfach weitermachen, gute Idee im Sinne der Betroffenen. Der Befristung lag ursprünglich die Erwartung zu Grunde, dass sich die Maßnahmen für Betroffene in gesetzlichen Hilfesystemen eindeutig verbessert haben sollten. Das war wohl laut Beurteilung des BMFSFJ nicht der Fall.
Der Haushaltsgesetzgeber stellte dem Fonds auch nach Ablauf der ursprünglich geplanten Laufzeit Haushaltsmittel bereit. Das könnte man als stumme Zustimmung werten. In den Jahren 2013 bis 2023 bewilligte er insgesamt 164 Mio. Euro. Für das Jahr 2024 sind keine Mittel mehr eingeplant. (Quelle: Bundesrechnungshof)
Augenscheinlich gab es bereits von Anfang an Bemühungen, den Fond als dauerhafte Einrichtung zu manifestieren. Dies hielt das Bundesministerium für Finanzen laut oben verlinktem Schreiben des Bundesrechnungshofes nicht für notwendig. Bereits im Sommer 2023 lehnt das Bundesministerium für Finanzen die Verstetigung des Fons ab. Man kann nur erahnen, dass die Gründe hierfür in den Verstößen gegen das Haushaltsrecht liegen. (die Einzelheiten dazu können Sie dem Schreiben des Bundesrechnungshofes entnehmen).
Und jetzt beginnt das Drama.
Unzählige eingereichte Anträge sind wohl noch nicht bearbeitet. Allein die Anerkennung von offizieller Stelle, dass es sich um einen Missbrauch handelt, ist neben den Geldmitteln für Betroffene ein ganz entscheidender Meilenstein. Schon allein aus diesem Grund sollte dieser Fond nicht eingestellt, zumindest gestellte Anträge zügig bezahlt und auf der Webseite offen kommuniziert werden.
Unzählige Betroffene haben Leistungen bereits in Anspruch genommen und entweder bereits aus privater Tasche bezahlt oder den Fond beauftragt, die Rechnung direkt an den Leistungserbringer zu zahlen. Entweder wartet also der Betroffene oder der Behandler höchstwahrscheinlich in Zukunft sehr lange auf die Auszahlung. (meine reine Vermutung – denn wo kein Geld ist – von was soll es dann ausgezahlt werden?)
Andere Stimmen zur Abwicklung des Fonds Sexueller Missbrauch
Schaut man sich im Netz ein wenig um, ist zwar die Empörung einerseits groß aber in Summe noch viel zu wenig vertreten:
Die TAZ titelt: „Wie lange noch, Frau Paus?“ – geht hierbei in einem kritischen Beitrag auf das augenscheinlich lockere Verhältnis des BMFSFJ zum Geld und dem Kräftemessen zwischen Lindner und Paus ein.
Der Verein Tour 41 e.V. hat in der Geschäftsstelle des Fond Sexueller Missbrauch zum Thema der Abwicklung nachgefragt. Der Fond zeigt sich in seiner Antwort neutral und zuversichtlich: „Die angemahnten Haushaltsverstöße würden behoben, das für ihn zuständige Ministerium sei in Verhandlungen getreten. Anträge können wie gewohnt gestellt und Rechnungen abgerechnet werden.“
Auf der Webseite von Spiegelstelle gibt es eine kommentierte Zusammenfassung zum derzeitigen Beschluss der Abwicklung des FSM.
Was kann man Betroffenen und auch Leistungserbringern raten?
Solange der Fond Sexueller Missbrauch Anträge annimmt, würde ich raten, weiterhin Anträge zu stellen. Nur anhand dessen können die beteiligten Ministerien den Bedarf einigermaßen abschätzen.
Sofern bereits ein bewilligter Antrag vorliegt, würde ich wie gehabt Leistungen in Anspruch nehmen, zügig an die Leistungserbringer zahlen und die Rechnungen ebenfalls zügig einreichen. Betroffene sollten Verständnis dafür haben, wenn Leistungserbringer nicht wie die letzten Jahre üblich, weit in Vorleistung gehen.
Und darüberhinaus: Die Petition von Tour 41 e.V. unterschreiben und darüberhinaus Ruhe bewahren. Sobald es Neuigkeiten gibt, werden es die Pressestellen der betroffenen Ministerien bzw. der Fond selbst mitteilen. Den Fond jetzt mit Mails und Anrufen zu fluten halte ich für wenig zielführend, das verzögert die Bearbeitung der Anträge und Rechnungen nur noch mehr.
Edit 27.10.24 – Abwicklung Fond sexueller Missbrauch
In der Meldung vom 24.10.24 informieren die Akteure des Vereins Tour 41 e.V. über ihre Anfrage im Monat September 24 beim Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, kurz BMFSFJ und damit bei Bundesministerin Lisa Paus. Kern der Anfrage war der Sachstand bezüglich der Abwicklung des Fond Sexueller Missbrauch.
Das BMFSFJ erkennt zunächst die Fehler an, die der Bundesrechnungshof bei der Überprüfung des Fond Sexueller Missbrauch aufgetan hat. Wesentlich entscheidender ist jedoch der Punkt, dass das BMFSFJ die vor allem niedrigschwelligen und bedarfsgerechten Leistungen des Fond als ganz wichtigen Baustein erachtet und in der Zukunft das Hilfesystem rechtskonform aufstellen möchte.
Das BMFSFJ schreibt außerdem, das es keinen Beschluss zur Einstellung des Fonds gibt. Im Bundeshaushalt sind Mittel für 2025 für bereits bewilligte und auch für die weitere Bewilligungen enthalten, sofern der deutsche Bundestag zustimmt.
Das ist eine sehr gute Nachricht, die allen Betroffenen ganz sicher Hoffnung spendet!
Edit 21.03.2025 – Ergänzendes Hilfesystem wird ab 2029 eingestellt
Zitat Webseite Fond Sexueller Missbrauch „Der Bundesrechnungshof hat den Fonds Sexueller Missbrauch geprüft und festgestellt, dass die Praxis der Bewilligung und Auszahlung der Leistungen nicht haushaltsrechtskonform sei.“ (aus: News vom 12.03.2025)
Im Ergebnis hat das Bundesfamilienministerium das Ergänzende Hilfesystem für Betroffene sexueller Gewalt neu aufgestellt und zum 01. Januar 2025 eine neue Richtlinie in Kraft gesetzt. Demnach stehen Hilfen bis Ende 2028 zur Verfügung.
Für die Zeit danach kann das Ergänzende Hilfesystem nach derzeitigem Stand nicht fortgeführt werden.
Einige wichtige Fakten aus der neuen Richtlinie: Erstanträge können noch bis 31.08.2025 eingereicht werden – die Bewilligung der Erstanträge werden bis 31.12.2025 erteilt. Im Jahr 2025 wird sich also entscheiden, wer nun noch vom Ergänzenden Hilfesystem profitieren kann. Ergänzende Leistungen dürfen nicht mehr unbefristet gezahlt werden – alle Antragsstellende ohne Abrechnungsfrist erhalten einen nachträglichen Bescheid mit einer Befristung.
Quellen:
Autorin: Sandra Hintringer
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3 Kommentare
Sehr geehrtes Autoren Team,
Ich habe den Fond bewilligt bekommen.
Allerdings sind die Strukturen und die Wege, die man bürokratisch gehen muss, sehr sehr beschwerlich.
Es werden ganz aktuell keine Vorauszahlungen mehr geleistet.
Viele Betroffene können aber nicht in Vorleistung gehen.
Die Bearbeitung dauert sehr sehr lange, bis 3 Monate mind., also welchen Rechnungsempfänger kann man erklären, das er sein Geld erst in geraumer Zeit bekommt?
Ich habe das Gefühl,das es den Betroffenen mit Absicht schwer gemacht werden soll.
Es ist schier unmöglich, das genehmigte Geld in vorgegebener Zeit bei diesen Erschwernissen auszugeben.
Dieser Fond soll belastete Seelen helfen, aber mich belastet es zusätzlich, weil ich das Geld nicht für die Vorfinanzierung habe. Es ist zudem ein Risiko, Geld auszugeben, solange man die Sicherheit nicht bekommt, das genau diese Leistung auch finanziert wird.
Ich werde mich für Betroffene und nicht einsetzen , indem ich versuche, es in öffentlichen Medien ansprechen und ich versuche, dieses Riesenproblem in Frauenberatungsstellen und Landesministerien anzusprechen.
Sehr geehrte Antje Wege,
vielen Dank für Ihren offenen und ehrlichen Kommentar. Ich kann Ihren Frust absolut nachvollziehen – es ist enttäuschend, wenn gut gemeinte Unterstützung durch Bürokratie schwer zugänglich wird. Dennoch freue ich mich, dass Sie nun die Bewilligung erhalten haben. Etwas schade oder auch befremdlich finde ich, dass Therapeuten und Autoren wie ich als Plattform für den Frust genutzt werden. Ich finde es gut, dass Sie sich für Betroffene einsetzen – es ist aber wichtig, dass der Ärger und auch die konstruktiven Verbesserungsvorschläge an die richtigen Adressen kommen. Hier wäre der Fond selbst eine wichtige Anlaufstelle, denn allein der kann an den Umständen was ändern. Ich leider nicht.
Alles Gute für Sie
Sandra Hintringer
Genau da ist das Problem.Beim Fond selber ist es aussichtslos.Ans Telefon geht seit Monaten niemand mehr und Emails bleiben unbeantwortet.Ich habe eine Bewilligung,musste mit 1000 Euro in Vorleistung gehen und warte seit vielen,vielen Wochen auf mein Geld.Bin 80 % schwerbehindert und auf mein Geld angewiesen.Brief an das Ministerium unbeantwortet.Kann den Frust verstehen